Schweiz–EU: SGV fordert Schutz der Gemeinden bei Umsetzung der Bilateralen III
Die Schweiz ist mit der EU wirtschaftlich und politisch eng verbunden. Ein Wegfall der bilateralen Verträge hätte in Form von sinkenden Steuereinnahmen und steigenden Sozialkosten auch für die Gemeinden erhebliche Folgen. Das neu ausgehandelte Vertragspaket zwischen der Schweiz und der EU (Bilaterale III) möchte deshalb die gegenseitigen Beziehungen stabilisieren und weiterentwickeln. Der Schweizerische Gemeindeverband (SGV) bewertet die Verhandlungsergebnisse grundsätzlich positiv. In seiner Stellungnahme äussert sich der Verband zu den gemeinderelevanten Themenbereichen Personenfreizügigkeit und Strom.
Personenfreizügigkeit: Im neu ausgehandelten Vertragspaket bleiben wesentliche Punkte des Freizügigkeitsabkommens unverändert: Nur EU-Bürgerinnen und -Bürger, die über eine Arbeitsstelle (oder genügend Eigenmittel) verfügen, dürfen in die Schweiz ziehen. Im Falle eines Jobverlusts wird ein Effort für eine Neuanstellung vorausgesetzt, um das Aufenthaltsrecht in der Schweiz nicht zu verlieren.
Neu ist die Übernahme der sogenannten «Unionsbürgerrichtlinie»: Erwerbstätige Personen können nach fünf Jahren Aufenthalt in der Schweiz eine Art «Daueraufenthaltsrecht» beantragen. Damit erhalten sie Zugang zur Sozialhilfe, ohne dass ihr Aufenthaltstitel wie heute automatisch überprüft wird. Laut Schätzungen könnten so jährlich potenziell 3000-4000 zusätzliche Personen Anspruch auf Sozialhilfe geltend machen, was aber nicht bedeutet, dass diese Personen auch tatsächlich Sozialhilfe beziehen werden. Auch könnte die Schweiz den betreffenden Personen das Daueraufenthaltsrecht wieder entziehen, sollte bei ihnen ein mangelnder Erwerbswille festgestellt werden.
Zudem erhält die Schweiz bei der Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie mehrere Schutzmechanismen: So kann der Bundesrat bei Bedarf etwa die Zuwanderung vorübergehend begrenzen und so einer Einwanderung in die Schweizer Sozialsysteme entgegenwirken. Für den SGV ist wichtig, dass der Bundesrat von dieser «Handbremse» falls nötig auch tatsächlich Gebrauch machen wird, um allfälligen negativen Auswirkungen (auf die Gemeinden) entgegenzuwirken.
Binnenmarktabkommen Strom: Der SGV ist sich bewusst, dass das Stromabkommen für gewisse Gemeinden und deren kommunalen Energieversorgungswerke Herausforderungen mit sich bringt, insbesondere im Hinblick auf die Öffnung des Strommarkts. Gleichzeitig begrüsst der SGV das Abkommen aus gesamtwirtschaftlicher Sicht grundsätzlich: Er ist überzeugt, dass der volkswirtschaftliche Gesamtnutzen die Summe der einzelnen Risiken übertrifft. So ermöglicht es das Stromabkommen der Schweiz, ins europäische Stromsystem integriert zu werden, wodurch die Versorgungssicherheit gestärkt und die Netzstabilität verbessert wird.
Aufgrund der Heterogenität der kommunalen Ebene sind die Auswirkungen des Stromabkommens auf die Gemeinden unterschiedlich. Handlungsbedarf macht der SGV deshalb insbesondere bei der innerstaatlichen Umsetzung des Abkommens aus.
- Marktöffnung und regulierte Grundversorgung: Ein liberalisierter Strommarkt erhöht den Druck auf die (kommunalen) Energieversorger. Damit die regulierte Grundversorgung und die Anbieter des freien Markts nebeneinander bestehen können, muss auf eine Balance zwischen der Sicherheit der Kunden und der Planbarkeit und Kosten der Versorger hingearbeitet werden. Zudem erwartet der SGV vom Bundesrat, dass die kommunale Ebene in die Erarbeitung allfälliger Gegenmassnahmen einbezogen wird, sollten trotz der vorhandenen flankierenden Massnahmen negative Auswirkungen auftreten.
- Erneuerbare Energien: Die Förderung von erneuerbaren Energien soll auch nach Ablauf der mehrjährigen Übergangsfrist fortgeführt werden können. Der SGV fordert deshalb vom Bundesrat, dass dieser EU-kompatible Unterstützungsmassnahmen vorbereitet. Diese sollen zur Anwendung kommen, falls der Ausbau der erneuerbaren Energien stagnieren würde. Was die Wasserkraft betrifft, so hat der Bundesrat bestätigt, dass die Wasserkraftwerke in der öffentlichen Hand bleiben können und dass Wasserrechtskonzessionen und Wasserzinsen kein Teil des Abkommens sind. Für den SGV ist klar, dass dies auch in Zukunft sichergestellt sein muss. Ganz allgemein weist der SGV darauf hin, dass auch bei künftigen Aktualisierungen und Weiterentwicklungen des Stromabkommens jeder zusätzliche Vollzugsaufwand Beachtung finden muss – gerade auch auf kommunaler Ebene.